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ORTH
SOUNDING

Orth Sounding ist eine Klanginstallation,

die dem Spannungsverhältnis

Ort - Klang - Raum - Architektur

nachgeht.

„Durch die langsam und in langen Zeitdauern erklingende Zwölftonreihe und die zum Teil impulsartigen Klänge und Klangflächen aus den Field Recording Aufnahmen wird der Raum als Instrument zum Klingen gebracht.“

                                                                                Josef Reiter

Orth Sounding ist eine Klanginstallation, die dem Spannungsverhältnis Ort - Klang - Raum - Architektur nachgeht.

Ausgehend von einer Analyse des spezifischen Klangcharakters des Ausstellungsortes, erarbeitete der Künstler eine 6-Kanal Soundinstallation mit zwei klanglichen Ebenen. 

Im Studio wurden Samples von Renaissance-Instrumenten, Theorbe, Gambe, (aus der Entstehungszeit des Schlosses Orth) sowie Klänge von gestimmten Perkussionsinstrumenten wie Marimba, Celesta, Pauke und Plattenglocken aufgenommen. Diese wurden minimalen elektronischen Eingriffen unterzogen, gefiltert, auf den Raum gestimmt und abgemischt. 

Ein Bezugspunkt für die Organisation dieser Klänge ist die Zwölftonreihe aus der 5. Sinfonie op.50 „Auf B“ des Orther Komponisten Karl Schiske, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Diese Zwölftonreihe wird sehr langsam in vielfältigen Variationen aus vier Lautsprechern in den Raum projiziert. 

Die zweite zentrale klangliche Komponente ist die Soundscape, der Klangraum Orth an der Donau. Field Recordings,  Aufnahmen von Naturklängen wie Wind, Wasser, Regen, sowie vom Menschen produzierten Klängen im Umfeld von Schloss Orth, den Feldern, der Donau und den Donauauen, werden über das Surround Lautsprechersystem in den Raum projiziert. 

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ORTH SOUNDING​

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Eröffnung im Schloss Orth

Ich möchte mit einem Begriff beginnen, den ich vor einigen Jahren mal verwendet habe, um über die Arbeit von Josef Reiter zu reden: Von einer „Grammatik des Wenigen“ oder gar „des Wenigsten“ war da die Rede. Das war damals auch ein Verweis auf eine Theorie, die einmal sehr en vogue war, auf die „Generative Transformationsgrammatik“ des Linguisten und Sprachwissenschafters Noam Chomsky. Die Idee ist, kurz gesagt, eine Grammatik, die nicht Regeln aufschreibt, sondern die den Prozess, die Beobachtung des Prozesses von Reden und Verstehen in den Mittelpunkt des Nachdenkens rückt. Das heißt: Es gibt eine sehr überschaubare Menge an Buchstaben und eine vielleicht noch überschaubare Menge an Worten und daraus können wir aber – unter Anwendung und Einhaltung bestimmter, verhältnismäßig weniger Spielregeln – eine nicht mehr überschaubare, eine unendliche Menge an bedeutungstragenden Sätzen formen. Dieses Modell gedanklich auf die Arbeit von Josef Reiter zu übertragen heißt zu betonen, dass es in seiner Arbeit nicht um das Wenige als solches, um irgendeine Form von Minimalismus oder Repetitismus geht, sondern um Modelle, bei denen mit wenigen Regeln und einer überschaubaren Menge an Tönen dennoch unabschätzbar viele verschiedenen Klangkonstellationen erzeugt werden können. Es gibt einen Text mit einem sehr schönen Titel von Heinrich von Kleist und dieser Titel lautet: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Der Text handelt davon, dass man während man spricht und nur weil man beim Sprechen selbst mit- und weiterdenken muss, auf Gedanken kommt, die einem nie einfallen würden, wenn man sich auf diesen Prozess nicht einlässt. Eigentlich auch ein Modell einer gedanklichen Art generativer Transformationsgrammatik. Und wenn hier und heute die Rede ist von Josef Reiters Arbeiten, dann verknüpfen wir das jetzt miteinander. Es gibt nämlich eine Werkserie von Josef Reiter mit einem sehr schönen Titel, der sich auf den sehr schönen Titel von Kleist bezieht: Josef Reiters Werkserie heißt: „Über die allmähliche Verfertigung der Räume beim Hören“. Es geht bei diesen Arbeiten, die – ebenso wie die heute zu eröffnende Arbeit es sein wird – , die als Klanginstallationen wahrnehmbar sind, immer um konkrete Räume. Die von Josef Reiter in diesen Räumen gespielten Klänge wollen sich nicht über die Charakteristik des Raumes stülpen, sondern ganz im Gegenteil es den Besucher/innen ermöglichen, noch zusätzliche Raumdimensionen zu erfahren, also hörend den Raum zu weiterzubauen, ihn mit Ohren und Hirn allmählich zu verfertigen eben. Josef Reiter benutzt dazu bestimmte Charakteristika eines Raumes, aus denen er die Töne und deren Abfolge gewinnt. Um eine der Möglichkeiten zu nennen: Räume haben ganz bestimmte Proportionen, sehr spezielle Räume dann auch oft sehr spezielle Proportionen, und die kann man dann zum Beispiel umdeuten in musikalische Intervallproportionen, die dann den optischen Proportionen eines Raumes noch akustisch-musikalische hinzufügen. Und das übrigens meist sehr leise, in reduzierten Klangfarben und in verschieden langen, einander ständig anders überlagernden Klangschichten. So. Jetzt rede ich die ganze Zeit über eine Werkserie, zu der die heute zu eröffnende Arbeit aber gar nicht gehört. Trotzdem wollte ich durch diese Erzählung eine Art Sensibilität in Ihnen wecken für die grundsätzliche Charakteristik der Klanginstallationen von Josef Reiter. Ein paar Hinweise zur Erleichterung der Wahrnehmung, zum Verständnis genau dieser heute zu eröffnenden Arbeit folgen jetzt noch. Die Klangfindung für die bisher beschriebenen Werke ist recht konzeptionell. Hier in Orth aber haben wir es mit einer viel direkteren, mit einer sozusagen semantischen Form der Klangfindung zu tun. Natürlich geht es auch hier um ein Verhältnis des konkreten Ortes und der Musik, der Klänge. „ORTH Sounding“ heißt diese Arbeit und das kann man wörtlich nehmen. Nicht Proportionen oder sonst abstrakte Parameter sind die Grundlage, sondern tatsächlich der Ort Orth selbst. Josef Reiter hat sich mit dem Mikrophon auf die Suche nach jenen Klängen gemacht, die den Ort Orth und seine Umgebung prägen. Klänge aus der Au beispielsweise, von Vogelgezwitscher über Wind und Regen zum plätschernden Wasser. Und wenn ich jetzt hinzufüge, Klänge aus dem Schloss Orth, dann findet sich die Geschichte dieses Schlosses in den Klängen einiger Renaissance-Instrumente wieder, einer Theorbe beispielsweise, aber vor allem fügt sich dabei wieder eine konzeptionelle Ebene hinzu. Hier in Schloss Orth findet sich ja eine sehr feine Ausstellung über den österreichischen Komponisten Karl Schiske. Heuer jährt sich sein Geburtstag zum hundertsten Mal und darauf bezieht sich auch diese Ausstellungseröffnung und auch eine der Ebenen von Josef Reiters Arbeit. Wenn man in diese Gedenkräume geht, findet man links an der Wand in Schiskes Handschrift eine auf eine Notenlinie geschriebene Zwölftonreihe. Und die ist ein kleines Wunderwerk: Eine Zwölftonreihe im Geiste Arnold Schönbergs zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass Anspielungen auf Tonales im altherkömmlichen Sinn ausbleiben, dass sich eben keine tonalen Schwerpunkte ergeben. Nun hat Karl Schiske aber für seine 5. Symphonie eine Zwölftonreihe zusammengestellt, die nichtsdestotrotz aus kleinen Fragmenten, Zitaten aus Motiven anderer Komponisten stammen. Und in dieser handschriftlichen Notiz hier in Schloss Orth hat Schiske auch genau eingetragen, welche Motive von wo stammen. Es sind Tonfolgen von Bach, Bruckner, Brahms und Beethoven. Und deswegen habe ich gesagt „Wunderwerk“, weil eigentlich ist das eine contradictio in adiecto, ein Widerspruch in sich selbst, aus Material von vier Komponisten, die definitiv tonale Musik geschrieben haben, eine klassische Zwölftonreihe zu formen. Und von dieser Zwölftonreihe ist jetzt deswegen die Rede, weil Josef Reiter von ihr offensichtlich auch fasziniert ist und sie zur konstruktiven Grundlage der Klanginstallation „ORTH Sounding“ gemacht hat. Was uns zur nächsten Ebene bringt: Man kann ja Wasser- oder Regengeräusche nicht in exakten Tonhöhen anordnen. Hier kommt nun die Schiskesche Musikalität ein weiteres Mal ins Spiel: Josef Reiter hat sich mit dem Perkussionisten Lukas Schiske, einem Sohn von Karl Schiske, zusammengetan. Lukas Schiske spielte einzelne Töne und Tonfolgen auf Schlaginstrumenten, die in präzisen Tonhöhen gestimmt sind, also Xylophon, Vibraphon oder Crotales zum Beispiel, und Josef Reiter hat auch diese aufgenommen, um damit weiterzuarbeiten. Zusammengefasst: Die klanglichen Ebenen, die Sie jetzt gleich hören, sind einerseits Naturgeräusche aus Orth und Umgebung, einige Renaissance-Klänge und Perkussionstöne von Lukas Schiske. Der Komponist Josef Reiter hat all das nach bestimmten Kriterien zu einem ungefähr halbstündigen Stück gemacht, dessen eine konstruktive Grundlage eben Karl Schiskes Zwölftonreihe ist. Was Sie jetzt also nicht gleich alles hören können, wenn Sie es hören könnten: Bach, Bruckner, Brahms, Beethoven, Schiske, Renaissance, Vögel und anderes Getier, Schiffe, Regen, Wind, Orth. Manches davon werden Sie erkennen, manches nicht und die erwähnte Zwölftonreihe selbst in ihrer perkussiven Form könnte man zwar theoretisch hören, aber praktisch ist sie wohl in dieser Version einfach zu langsam, als dass wir sie wirklich identifizieren könnten. Das Alles steckt in diesem Stück drinnen, das nichtsdestotrotz ein eher leises und behutsames Stück ist……

Eröffnungsrede

Christian Scheib

Live-Soundintervention

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„Denk nicht sondern horch 2”

 

mit

Lukas Schiske (Percussion) und

Josef Reiter (electronic devices)

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