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Im Raum Schule

Josef Reiter versteht Norm im Sinne einer Ordnung in größentechnischer Hinsicht. Seine Klangskulptur "ÖNORM A- 1650" ist als akustische "Konfrontation oder Reibung von Schülern und Schulmobiliar“ zu bezeichnen. Sie basiert auf der umfangreichsten Vermessung der österreichischen Schuljugend, durchgeführt im Jahre 1972, gemein- sam vom Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau und dem Institut für Industrial Design. Intention dieses aufwendigen Unternehmens war es, eine Ö-Norm für das ideale "normierte, körpergerechte Schulmobiliar", die bis heute Gültigkeit hat, zu entwickeln. Reiter geht von eben dieser Norm bezüglich Größe und Körperproportionen aus und transponiert die individuellen Abweichungen in das Medium Musik. Mit Hilfe eines Computerprogramms, das einer Analyse von Kurt Tischlinger mit dem Titel "Harmonikale Proportionen des menschlichen Körperbaus. Computeranalyse der Körpermaße von 8850 Personen" zugrunde liegt, errechnete Reiter für den Bereich von 1- 200 cm bestimmte Frequenzen. Er wählte aus dem umfangreichen Sample 16 Schüler und Schülerinnen aus und von diesen wiederum nur 4 Körpermaße: nämlich Körperhöhe, die halbe Spannweite, Unterschenkellänge (Referenzmaß für den passenden Stuhl) und die Fußlänge. Aus diesen Berechnungen ergaben sich die Tonhöhen der Klänge. Bereits in der Antike hatte man aus menschlichen Körperproportionen musikalische Strukturen abgeleitet. Vier in den Raumecken montierte Lautsprecher machen das individuelle Körpermaß akustisch hör- bar. Der fünfte, zentral angebrachte Lautsprecher gibt einen Durchschnittswert in reinen Intervallen in Sinus-Tönen wieder. Im Gegensatz zu dem harmonisch klingenden Sinuston wird die vertonte Wiedergabe der individuellen Körperabmessungen als leicht verstimmter und unreiner Intervall wahr- genommen- analog zu dem tatsächlichen Missverhältnis zwischen Idealmaß und tatsächlichem Körpermaß. Die individuellen "Schülerklänge", die eine lebendige Klangfläche bilden, treffen auf die Sinustöne, die sich ihrerseits zu einem wohlklingenden genormten Klangteppich formieren. So wird die Diskrepanz zwischen idealisierter Norm und tatsächlicher, individuell unterschiedlicher Realität akustisch wahrnehmbar. Mit dem zeitlich genormten Ablauf des Schulall- tags - Unterrichtsstunden alternierend mit Pausen- beschäftigt sich das zweite Projekt Reiters. Der programmatische Titel "Große Pause" nimmt das Thema bereits vorweg: Während der großen Pause ist die Klasse zu verlassen und der Gang aufzusuchen, wodurch der Lärmpegel beträchtlich anschwillt. Abhängig von den baulichen Charakteristika eines solchen langgezogenen Pausenganges tritt eine Schalldämmung oder eine Verstärkung der alltäglichen Geräusche ein. Für eben diese bauakustischen Phänomene dieser für alle Schulen symptomatischen Architektur interessiert sich Reiter. Seine Klanginstallation besteht aus konkretem Material, nämlich den Pausengeräuschen zweier Mittelschulklassen. Zwei zusätzliche Mikrophone am Ende des Ganges zeichnen die individuellen Geräusche der Ausstellungsbesucher auf. Dieses Amalgam aus tatsächlichen, in der Realität stattfindenden Live-Geräuschen mit dem vorgefertigten Klangmaterial wird durch die genormte Architektur des ehemaligen Schulganges gefiltert. Im Stiegenhaus wird dieses Klanggemisch zeitgleich abgespielt und dient so als Tonschiene ins obere Geschoss. Katalogtext „Im Raum Schule“ OK Linz

ÖNORM A -1650

Die Klangskulptur "ÖNORM A-1650" entstand als akustische "Konfrontation, Reibung" von Schüler und Schulsessel. Sie basiert auf der umfangreichsten Vermessung der österreichischen Schuljugend, durchgeführt im Jahr 1971 zur Findung eines "normierten, körpergerechten Schulgestühls" (das bis heute Gültigkeit hat). Aus dem Datenmaterial, den Körpermaßen einzelner SchülerInnen und den Maßen der normierten Schulsessel (ÖNORM A-1650) werden die computergenerierten Klänge transformiert.

"Große Pause" 

Konkretes Klangmaterial (Pausengeräusche zweier Mittelschulen) mischt sich mit Geräuschen der Ausstellungsbesucher und wird durch die Eigenheiten der Gänge des ehemaligen Schulhauses gefiltert, verstärkt oder abgeschwächt. Die Akustik der Pausengänge wird zum Material der Klangskulptur.

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